Preisträger 2023

Christian Weber, Dr. Stefan Pieczonka
und Dr. Stefan Kreisz
BierBrauerBund 22.06.2023 © CHLietzmann

Selten war das Votum für einen Preisträger so eindeutig wie in diesem Jahr: Aus mehreren hervorragenden Bewerbungen stach die Arbeit von Dr. Stefan Pieczonka besonders heraus. Im Rahmen seiner Dissertation mit dem Titel „Umfassende Charakterisierung des Bier- und Braumetaboloms“ entwickelte er eine analytische Strategie, um die komplexe Zusammensetzung und die molekulare Vielfalt der Biere sichtbar und interpretierbar zu machen. Klassische analytische Untersuchungen betrachteten bisher vor allem einzelne Verbindungen und Stoffgruppen. Moderne Methoden verfolgen dagegen einen ungezielten, ganzheitlichen Ansatz, bei dem tausende Moleküle simultan erfasst werden können. Sie versprechen dabei, noch unentschlüsselte Fragen des Brauwesens auf der umfassenden molekularen Ebene zu beantworten. Die Gesamtheit aller Verbindungen in einem biologischen System wird dabei unter dem Begriff Metabolom zusammengefasst.

Für den Beirat der Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaft, der als Jury den neuen Träger des Henrich-Funke-Pschorr-Stiftungspreises auswählte, stand die Entscheidung schnell fest: Stefan Pieczonka ist es in seiner Arbeit mit Hilfe hochmoderner analytischer Verfahren und Nachweismethoden sowie computergestützter Auswertesysteme gelungen, ganz tief in die komplexe Zusammensetzung unserer Biere zu blicken. Ein Meilenstein, vergleichbar mit dem Blick des Hubble-Weltraumteleskops in das Universum – in diesem Fall: das Bieruniversum. Wobei nicht nur das Bekannte, sondern insbesondere auch das Unbekannte erfasst, charakterisiert und in sogenannten molekularen Netzwerken miteinander verknüpft und ausgewertet wird.

Unter anderem gelang es dem Preisträger, die Natur eines historischen über 130 Jahre alten Bieres zu beschreiben und zurückzuverfolgen. Dieses Bier, das aus der Deutschen Kaiserzeit stammt, wurde in Lübbecke in Ostwestfalen gebraut. Seine chemische Zusammensetzung stellt eine einzigartige Quelle der Braukultur im späten 19. Jahrhundert dar. Verschiedene Produktionsschritte des Brauprozesses konnten nachverfolgt werden, der Vergleich mit 400 modernen Bieren zeigte die Signatur eines typischen Lagerbieres auf, das nach dem damals gültigen Reinheitsgebot gebraut worden war. Auch technologische Aspekte wie die Art der Malzaufbereitung, Filtration und der Einsatz der kürzlich entwickelten Kältemaschine waren analytisch rückverfolgbar. Als einmalige Gelegenheit konnte das historische Bier zudem hinsichtlich Jahrzehnte lang ablaufender chemischer Veränderungen in einem versiegelten Gemisch analysiert und ausgewertet werden.

Die 10. Verleihung des Henrich-Funke-Pschorr-Stiftungspreises konnte nach pandemiebedingter Pause nun wieder im Rahmen des Deutschen Brauertages auf der großen Bühne erfolgen. In seiner Laudation bezeichnet Dr. Stefan Kreisz, Vorsitzender des Beirates der Wissenschaftsförderung, die Promotionsarbeit von Stefan Pieczonka im Feld der analytischen Brauwissenschaft als besonders innovativ und zukunftsweisend. In der Praxis könnten diese ganzheitlichen analytischen Ansätze dafür genutzt werden, Biere und Bauprozesse umfassend zu charakterisieren, eine Qualitäts- und Authentizitätsprüfung einschließlich gesundheitsrelevanter Parameter vorzunehmen, Abweichungen genau zu bestimmen, aber auch Produkt- und Prozessentwicklungen zielgerichtet zu begleiten.

Die Komplexität der Promotionsarbeit von Dr. Stefan Pieczonka wird auch daran deutlich, dass sie betreut von zwei Doktorvätern, Prof. Dr. Michael Rychlik and Prof. Dr. Philippe Schmitt-Kopplin, parallel an zwei Forschungseinrichtungen der Technischen Universität München und dem Helmholtz Zentrum München durchgeführt wurde. Die Promotionsarbeit ist online abrufbar unter https://mediatum.ub.tum.de/doc/1637827/1637827.pdf.